Das nächste Gras ist ein sehr häufiges: Das Wollige Honiggras (Holcus lanatus) ist nahezu überall zu finden. Und weil es so häufig ist, bietet es
sich zum Üben an. Unter anderem kann man gut an ihm beobachten, wie sich der Blütenstand im Laufe des Sommers
verändert.
Das Wollige Honiggras gehört zu den Süßgräsern (Poaceae) und ist recht leicht zu bestimmen. Dazu muss man es nur anfassen: Es fühlt sich am Stängel und auf
den Blättern durch seine dichte, feine Behaarung flauschig weich an (lanatus = samtig). Es hat den typischen Blattaufbau der Süßgräser: Den
unteren Teil des Blattes (Blattgrund) bildet die sogenannte
Blattscheide. Sie umschließt die Sprossache (hier den Halm). Beim Wolligen Honiggras ist die Blattscheide "aufgeblasen", d. h. sie liegt nicht eng am
Halm an. Erst im oberen Teil bildet sich die Blattspreite (also ein "aufgeklapptes" Blatt). Am Übergang zwischen Blattscheide und Blattspreite befindet sich
das Blatthäutchen (Ligula). Es besteht aus einem dünnen Häutchen, das in der Regel weißlich durchscheinend ist. Es ist ein wichtiges Bestimmungsmerkmal der Süßgräser
(das ist einer der Gründe, warum man beim Gräserbestimmen immer die Lupe dabei haben sollte). Beim Wolligen
Honiggras ist es um die 2 mm lang.
Auch das Wollige Honiggras ist windblütig. Der Blütenstand ist eine Rispe, an der wiederum kleine, zweiblütige Ährchen
stehen. Auch hier gibt es den für Süßgräser typischen Aufbau aus Hüllspelzen, die das Ährchen umgeben sowie je einer Deck- und einer Vorspelze pro Blüte. Auf der oberen Hüllspelze befindet sich eine winzige Granne, ebenso auf der oberen Deckspelze. Der Blütenstand ist häufig rötlich bis purpurn überlaufen, schiebt sich im
Frühjahr aus den noch geschlossenen Blättern heraus und entfaltet sich zur Blütezeit, indem die einzelnen Teilblütenstände abgespreizt werden (dafür gibt es spezielle Schwellkörper, die
Lodiculae). Daher sieht das Gras vor und nach der Blüte anders aus als während der Blüte (vgl. Fotos). Die Blütezeit reicht von Mai bis August.
Das plüschige Gras wächst auf mäßig nährstoffreichen, frischen bis feuchten Wiesen und Weiden. Es gilt als Weidegras mit mäßigem Futterwert (Futterwertzahl 4), wobei
diese Werte sich in der Regel an Kühen orientieren, auch wenn Kühe heutzutage eher selten auf Weiden zu sehen sind. Aufgrund des niedrigen Futterwertes wird es gerne auch mal als "Ungras"
bezeichnet, zumal es bei günstigen Bedingungen zur Massenausbreitung neigt. Der Futterwert wird oft mit der doch recht dichten Behaarung der Pflanze begründet. Mein hauseigener Gräserexperte mit
dem feinen Gaumen (= mein Pony, pardon: Kleinpferd) findet das Gras trotzdem prima - er findet allerdings nahezu alles Fressbare prima. Das Wollige Honiggras ist nichtsdestotrotz eine
wertvolle Futterpflanze, nämlich für die Raupen einiger Schmetterlingsarten. Es gehört zum Pflanzenverband Arrhenatherion, den wir schon beim Glatthafer kennengelernt haben.
Es gibt noch eine eng verwandte Art, das Weiche Honiggras (Holcus mollis). Es hat deutlich weniger Behaarung, nur die Knoten (knubbelige Verdickungen am
Halm) sind dicht behaart, wobei diese Haare deutlich länger sind im Vergleich zum "Flaum" des Wolligen Honiggrases. Die Deckspelze der oberen Blüte hat eine bis zu 5 mm lange Granne, die deutlich
länger als die Hüllspelzen und damit gut sichtbar ist (vgl. Foto). Das Blatthäutchen des Weichen Honiggrases ist bis zu 5 mm lang. Man findet dieses Gras weniger auf Wiesen, sondern eher an
Waldrändern, an Hecken und Säumen. Es ist etwas seltener als das Wollige Honiggras.
Falls ich euch jetzt vollständig verwirrt habe, gibt es unten noch ein paar Fotos zur Illustration :-)
Das "Ährenschieben" (korrekt wäre hier "Rispenschieben") des Wolligen Honiggrases in verschiedenen Stadien.
Die (hier noch geschlossenen) Rispen des Wolligen Honiggrases sind oft purpurn überlaufen. Zur Blüte spreizen sich die Blütenstände auf, wie auf dem Bild ganz oben zu erkennen.
Der gespreizte Blütenstand des Weichen Honiggrases (Holcus mollis). Deutlich zu erkennen sind die Grannen der oberen Deckspelzen.
Hier kann man die dichte Behaarung an den Knoten von H. mollis erkennen (sorry für das miese Foto...)
Hier kann man (so gerade eben) den Übergang zwischen Blattscheide und Blattspreite und die Lage des Blatthäutchens (Ligula) erkennen. Weiches Honiggras (H. mollis). Und ja, das Foto ist noch
mieser (ich gelobe Besserung ;-)