Der Bärlauch

Nur falls ihn jemand noch nicht kennen sollte (was wohl eher unwahrscheinlich ist): Der Bärlauch (Allium ursinum) ist eine heimische Waldpflanze, die ein recht intensives Knoblaucharoma verströmt und mittlerweile zu einer Art Gourmet-Kraut geworden ist. Allerdings gibt es beim Sammeln ein paar Fallstricke, die eventuell sehr unangenehme Folgen haben können.

 

Merkmale des Bärlauchs

Der Bärlauch besitzt in der Regel zwei bis drei große, oval-lanzettliche Blätter mit dunkergrüner, glänzender Blattoberseite, heller, matter Blattunterseite und parallel angeordneten Blattnerven. Sie erscheinen ab März, die Blüten im April und Mai. Der kugelige Blütenstand besteht aus vielen kleinen weißen, sternförmigen Blüten. Sie haben keine Kelch- und Kronblätter, wie man es von vielen zweikeimblättrigen Pflanzenarten kennt, sondern bestehen aus sechs sogenannten Perigonblättern, eine Besonderheit vieler einkeimblättriger Pflanzenarten. Der Blütenstängel ist blattlos.

 

Dass der Bärlauch zu den Lauchgewächsen (Alloideae) gehört, und daher mit Zwiebel und Schnittlauch verwandt ist, fällt spätestens beim Geruch auf. Bärlauchblätter haben einen starken und unverkennbaren Duft nach Knoblauch, der allerdings erst auftritt, wenn man die Blätter verletzt, da die dafür verantwortlichen Inhaltsstoffe im Pflanzensaft stecken. Das Reiben eines Blattes bringt daher nur etwas, wenn man es wirklich zerreibt, wenn also Pflanzensaft austritt, oder wenn man ein winziges Stück Blatt abknipst. Dann strömt einem auch auf Distanz sofort der unverkennbare Knobigeruch entgegen.

 

Der kleine Stinker ist ein Frühjahrsgeophyt, er taucht im März auf und verschwindet im Laufe des Sommers komplett, aber nicht ohne mit seinen vergilbenden Blättern nochmal kräftig loszustinken. Bärlauch tritt gerne flächendeckend in Wäldern auf feuchtem, kalkhaltigem Boden auf, zum Beispiel entlang von Waldbächen, aber auch in waldigen Schluchten und Senken - Hauptsache, der Boden ist feucht, kalk- oder zumindest basenhaltig und nährstoffreich.

 

Ein paar Worte zum Sammeln

Gesammelt wird vor der Blüte von März bis April/Anfang Mai, dann hat Bärlauch das beste Aroma. Auch blühenden Bärlauch kann man noch sammeln, aber er schmeckt dann nicht mehr so gut. Man nimmt immer nur ein Blatt pro Pflanze, das sorgt dafür, dass die Pflanze auch nächstes Jahr noch da ist. Der Bärlauch ist in manchen Regionen selten und dort auf der Roten Liste. Das bedeutet, dass man dort auf das Sammeln bitte verzichtet, in Schutzgebieten sowieso. Auch sonst darf Bärlauch nur in kleinen Mengen und für den Eigengebrauch gesammelt werden. Hier gilt die Handstraußregel - also höchstens (!) eine Handvoll Blätter darf mitgenommen werden. Aber nicht nur das übermäßige Sammeln ist ein Problem, es gibt auch immer wieder Verwechslungen mit stark giftigen Pflanzenarten. Daher vor dem Verarbeiten bitte jedes einzelne Blatt genau prüfen, so wie man es immer mit zum Verzehr gesammeltem Pflanzenmaterial machen sollte. 

 

Die wichtigsten Doppelgänger

Einer der berüchtigten Doppelgänger ist die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), ebenfalls eine heimische Pflanze. Sie bildet eine unterirdische Sprossknolle, aus der sie jedes Jahr neu austreibt. Ihre Blätter erscheinen wie die des Bärlauchs im Frühjahr. Sie sind ebenfalls oval-lanzettlich und mit parallelen Blattnerven ausgestattet, denn die Herbstzeitlose gehört auch zu den einkeimblättrigen Pflanzen. Aber: Ihre Blätter sind länger und wirken optisch schmaler als die des Bärlauchs. Dazu sind sie ungestielt und bilden eine Art Trichter (in dem später im Sommer eine sehr große Samenkapsel sitzt), während die Blätter des Bärlauchs deutlich erkennbare Blattstiele besitzen. Die Herbstzeitlose wächst bevorzugt auf feuchten Wiesen an sonnigen bis halbschattigen Standorten, aber auch in lichten Wäldern kann sie vorkommen, vor allem in Auwäldern. Sie blüht erst im Herbst, wenn die Blätter schon lange wieder verschwunden sind. Ihre Blüten sind hell-lila und ähneln denen des Krokus. Und: Die Herbstzeitlose riecht nicht nach Knoblauch. Wenn man also ein Pflanzenblatt zerreibt und es nicht riecht, dann Pfoten weg und vor allem Pfoten waschen bzw. gründlichst abputzen. Hat man bereits Bärlauchgeruch an den Fingern, kann die Geruchsprobe eventuell auch daneben gehen. Deshalb nie nur auf den Geruch verlassen, sondern immer auch die anderen Merkmale mit abfragen.

 

Ein weiterer Doppelgänger ist das Maiglöckchen (Convallaria majalis), auch bei uns heimisch und vor allem recht häufig. Es besitzt ein unterirdisches Rhizom, mit dem es flächendeckende Bestände bilden kann. Pro Pflanze hat es in der Regel zwei (manchmal drei) Blätter. Sie sind ebenfalls gestielt, wie die des Bärlauchs, wachsen aber aus einem einzigen Stängel (beim Bärlauch hat jedes Blatt seinen eigenen Stängel). Die Blattform ist ähnlich wie die des Bärlauchs, aber im Ganzen etwas kleiner und breiter und vor allem fester. Die Blüten des Maiglöckchens sind klein und weiß und haben eine Glöckchenform. Sie erscheinen zusammen mit den Blättern von April/Mai bis Juni. Hier ist wieder der Duft ein Hinweis: Die Blüten duften angenehm süß, allerdings hilft dieser Hinweis logischerweise nur bei der blühenden Pflanze. Die Blätter riechen ebenfalls nicht nach Knoblauch. Maiglöckchen wachsen hauptsächlich in Wäldern und Gebüschen, mögen also auch Schatten, aber es darf gerne trockener und vor allem warm sein. Sie sind häufig auf sauren Sandböden zu finden. Ich habe sie schon häufiger unter Eichen entdeckt.

 

Beide Arten sind in allen Teilen stark giftig und dem Bärlauch sehr ähnlich. Vor allem bei der Herbstzeitlosen reicht nur sehr wenig Pflanzenmaterial aus, um sich schwer zu vergiften oder ins Jenseits zu befördern. Darum bitte nur dann Bärlauch sammeln, wenn man ihn absolut sicher erkennen kann!

 

Für eine korrekte Bestimmung der einzelnen Pflanzen ist auch wichtig, dass sich der Habitus, also die äußere Erscheinung, von Pflanze zu Pflanze innerhalb der gleichen Art leicht unterscheiden kann, in Abhängigkeit von Standort und Region, in der sie wachsen. Vor allem verändern sich die Pflanzen im Jahresverlauf im Aussehen oder sie verschwinden je nach Art vorzeitig. Darum immer die Kombi aus Geruchsprobe, Standort, Jahreszeit und den weiteren Pflanzenmerkmalen zur Bestimmung heranziehen, ehe man zur Tat schreitet. Zur Veranschaulichung gibt es weiter unten eine kleine Bildergalerie.

 

Heilpflanze der Germanen

Abseits von den gruseligen Geschichten ist der Bärlauch eine alte Heilpflanze. Wie die anderen Lauchgewächse auch, besitzt er Schwefelverbindungen, die eine antibakterielle und gerinnungshemmende Wirkung haben, allen voran das Allicin. Bärlauch wurde hauptsächlich bei Magen-Darm-Erkrankungen genutzt. Der Name "Bär"lauch deutet darauf hin, dass die Pflanze schon für unsere Vorfahren wichtig war. Der Bär taucht im Frühjahr aus seiner Höhle auf und stärkt sich erstmal mit offenkundig gesunden Pflanzen. Das ist unseren Vorfahren nicht entgangen. Ebenso wie der Bär als Frühlingsbote galt, der sich gut mit Heilpflanzen auskannte, war der Bärlauch eine typische Frühjahrspflanze, die nach dem langen Winter zum Essen hochwillkommen war und bestenfalls "Bärenkräfte" verlieh. Im MIttelalter wurde er genau wie die riechende Verwandtschaft (Knoblauch!) zum Schutz vor allerlei Unholden eingesetzt. Astrologisch gehört er zu Mars.

 

Bärlauch im eigenen Garten

Den aktuellen Bekanntheitsgrad hat er aber eher in der "Freßbotanik" erlangt. Wer die Wildbestände schonen möchte (sehr lobenswert!) oder es etwas bequemer mag, kann sich Bärlauch ganz einfach in den eigenen Garten holen. Die meisten Gartencenter haben ihn im Angebot. Er mag im Garten ein schattiges, feuchtes Plätzchen und wenn man ihm je nach Boden vielleicht noch eine Prise Kalk ins Pflanzloch mischt, wird er sich dankbar zeigen und sich fleißig vermehren. Seine hübschen Blütenstände werden gerne von allerlei Insekten angeflogen. Und: Man hat endlich eine Pflanze für die schattigen Bereiche.

 

Aber denke auch im Garten dran: Herbstzeitlose und Maiglöckchen sind ebenfalls beliebte Zierpflanzen, vielleicht noch vom Vorbesitzer des Gartens gepflanzt und mit dem Drang zur Expansion bzw. zum Umherwandern gesegnet. Denn auch wenn man meint, die zwei Gift-Diven erfolgreich eliminiert zu haben, können sie trotzdem wieder auftauchen. Die sind beide ziemlich hartnäckig, so wie meine Herbstzeitlose, die alle Rausrupfversuche erfolgreich pariert hat, indem sie nach einiger Zeit einfach wieder aufgetaucht ist - zum Glück weit entfernt vom Bärlauch. Die Maiglöckchen übrigens auch - was solls, inzwischen dürfen sie bleiben, beide Arten haben schließlich auch ihren ökologischen Wert. Darum auch im Garten bei der Ernte genau hinschauen.

 

Genausogut und garantiert doppelgängerfrei kann man Bärlauch aber auch bequem auf der Fensterbank oder auf dem Balkon ziehen. Auch hier sind Schatten bis Halbschatten, Feuchtigkeit, kalkhaltiges Substrat und ein möglichst tiefer Topf erwünscht. Der Kollege ist übrigens absolut frosthart. Nur in engen Pflanzgefäßen sollte man bei strengem Frost an einen Schutz denken.
 

In meinem Garten wuchert der Bärlauch seit Jahren fröhlich vor sich hin, da ich ihn nicht so gerne esse und daher nicht ernte. Denn mal ganz ehrlich, unter uns Klosterschwestern (und -brüdern): Mir schmeckt die Knoblauchsrauke besser. Sie wächst bequemerweise nahezu überall, ist definitiv keine Rote-Liste-Art und man kann sie nicht so leicht mit weniger bekömmlichen Doppelgängern verwechseln. Ein Frevel, ich weiß ;-)

Die Herbstzeitlose mit Blick auf die untere Pflanze: Die Blätter stehen schräg bis aufrecht und bilden am Grund eine Art "Trichter". Weiter oben beginnen sie, überzuhängen. Sie sind ungestielt. Gut erkennbar sind die Blattnerven (die Blüten und gelfeckten Blätter links am Rand gehören nicht zur Herbstzeitlosen, sondern zum Gefleckten Lungenkraut).

Bärlauch einmal "von unten": Die Blätter haben jedes für sich einen langen Stängel und wirken eher labberig. Junge Blätter stehen anfangs allerdings auch aufrecht und hängen erst später über.

 

 

Beim Maiglöckchen umfassen jeweils zwei bis drei Blätter den Stängel. Erkennbar sind auch die sich gerade entwickelnden Blütenstände. Hier oben in Schleswig-Holstein ist das Maiglöckchen Ende April gerade erst am Austreiben.

Nochmal zum Üben (alle drei Fotos in SH Ende April):

...Bärlauch mit Blütenknospen...

... die Herbstzeitlose (ohne Blüten, die erscheinen erst ab September)...

... und das Maiglöckchen (Blütenstände entwickeln sich gerade).

Weitere giftige, aber weniger leicht zu verwechselnde Doppelgänger sind:

... der Aronstab (Arum maculatum, beginnt jetzt mit der Blüte)...

...und das Salomonssiegel (Polygonatum odoratum, treibt gerade erst aus). Im Hintergrund erkennt man zudem eine kleine, ziemlich angefressene Herbstzeitlose.

Wichtig! Bitte beachten!

 

Ich bin weder Ärztin noch Heilpraktikerin noch Apothekerin. Die in einigen Artikeln beschriebenen Wirkungen von Pflanzen haben lediglich informativen Charakter und beruhen auf dem Wissen aus meiner akademischen Ausbildung als Botanikerin sowie auf eigenen Erfahrungen. Alle Angaben wurden nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Ich übernehme keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben. Es wird ebenso keine Haftung für eventuelle Schäden durch die unsachgemäße Verwendung von Pflanzen und deren Zubereitungen übernommen.

 

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