Wilder Garten: Das Schneeglöckchen

Auch wenn es draußen alles andere als frühlingshaft ist: Dem Kleinen Schneeglöcken (Galanthus nivalis) sind Kleinigkeiten wie Schnee und Frost herzlich egal. Geblüht wird trotzdem. Das ist vermutlich ein Grund für die große Beliebtheit der kleinen Pflanze. Denn es ist ein Vorbote: Zusammen mit der Blüte der Hasel gilt es in der Phänologie als Zeigerpflanze für den Vorfrühling.

 

Das Schneeglöckchen gehört zu den Amaryllisgewächsen (Amaryllidaceae). Damit steht es in Verwandtschaft mit den Narzissen (Narcissus), mit denen sie sich eine Unterfamilie teilen (Amaryllidoideae), sowie mit den Lauchgewächsen (Allioidae), die allerdings eine eigene Unterfamilie innerhalb der Amaryllisgewächse bilden. Damit sind wir auch schon bei einem wichtigen Punkt: Das Schneeglöckchen gehört zu den einkeimblättrigen Pflanzen (Monocotyledonae). Das bedeutet zunächst mal nichts weiter, als dass diese Pflanzengruppe bei der Keimung nur ein Keimblatt (botanisch: Kotyledone) besitzt. Das Keimblatt ist das erste Blatt, das bei einer jungen Pflanze auftaucht. Keimblätter können bereits Photosynthese betreiben (daher die grüne Farbe), sie besitzen aber vor allem wichtige Nährstoffe, die den Keimling vom Fleck weg mit allem versorgen, was man zum Wachstum so braucht. Daher sind Keimblätter auch etwas dicker als die später erscheinenden Laubblätter (wichtig für alle, die Pflanzen selbst aussäen wollen: Jungpflanzen werden erst umgesetzt ("pikiert"), wenn die ersten Laubblätter entwickelt sind. Und ja, den Unterschied zwischen Keimblatt und Laubblatt kann man erkennen).

 

Im Gegensatz zu den einkeimblättrigen Pflanzen gibt es natürlich auch die zweikeimblättrigen Pflanzen (Dicotyledonae). Dazu gehören viele bekannte Pflanzenfamilien wie die Rosengewächse (Rosaceaea), die Hülsenfrüchtler (Fabaceae), die Nelkengewächse (Caryophyllaceae) oder die Lippenblütler (Lamiaceae). Die Unterteilung in einkeimblättrige und zweikeimblättrige Pflanzenarten bezieht sich übrigens nur auf die Bedecktsamigen Pflanzen (Angiospermae), also alle Blütenpflanzen, deren Samenanlagen von einem Fruchtblatt bedeckt sind. Daneben gibt es noch die Nacktsamer (Gymnospermae) ohne Fruchtblatt. Dazu gehören zum Beispiel viele Nadelbaumarten. Hier stimmt die Unterteilung mittels Keimblätter nicht mehr, denn die Gymnospermae haben oftmals viele Keimblätter.

 

Wem das jetzt zu viel Wissenschaft war: Macht nichts. Wichtig ist zu wissen, dass das Schneeglöckchen eine Blütenpflanze mit einem Keimblatt ist. Und damit hat sie weitere Merkmale, die Einkeimblättrige/Monokotyle kennzeichnen und die auch typisch für das Schneeglöckchen sind: Zum Beispiel ungestielte und ungeteilte Blätter mit einer parallelen Anordnung der Blattnerven. Parallele Blattnerven kennen wir zum Beispiel von den Süßgräsern (Poaceae), die ebenfalls einkeimblättrig sind, oder von den schon erwähnten Lauchgewächsen: Gut zu sehen zum Beispiel beim Porree (Allium porrum). Zweikeimblättrige/dikotyle Pflanzen haben dagegen Blattnerven, die netzartig angeordnet sind. Aber Achtung: Der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) ist parallelnervig, gehört aber zu den Dikotylen. Genauso gibt es natürlich monokotyle Pflanzen mit einer typisch dikotylen Netznervatur, nämlich den Aronstab (Arum maculatum) oder die Einbeere (Paris quadrifolia). Keine Regel ohne Ausnahme :-)

 

Auch der Blütenaufbau ist bei den Einkeimblättrigen anders. Im Gegensatz zu den Dikotylen haben sie in der Regel keine Unterteilung in Kelch- und Kronblätter sondern in innere und äußere Blütenhülle. Auch haben sie meist nur drei Blütenblätter jeweils in der inneren und äußeren Hülle. Das kann man beim Schneeglöckchen sehr gut erkennen. Hier sind die drei weißen äußeren Hüllblätter frei, die drei weißen inneren zu einer Röhre verwachsen. Auf dieser Röhre fallen auch die grünen Male auf, die als Bestimmungsmerkmal für die verschiedenen Arten wichtig sind. Das Kleine Schneeglöckchen hat hier je einen länglichen, wie ein Haken aussehenden grünen Fleck. Und noch eine Besonderheit gibt es bei den Einkeimblättrigen. Sie haben sehr oft Zwiebeln als Überdauerungsorgane, so auch das Schneeglöckchen. Zwiebelpflanzen ziehen ihre Blätter im Laufe des Sommers wieder ein, wenn genug Reservekohlenhydrate in die Zwiebel eingelagert wurden, um im nächsten Frühjahr wieder auszutreiben. Daher ist es wichtig, diesen Pflanzen das Grün nicht zu früh abzuschneiden, auch wenn es etwas unansehnlich wird.

 

So, nach diesem ausführlichen Ausflug in die Tiefen der Botanik gibt es natürlich auch noch andere wichtige Dinge. Zum Beispiel steht das Schneeglöckchen deutschlandweit unter Schutz. Es bevorzugt Schlucht- und Auwälder sowie Laubmischwälder im Mittelgebirgsraum mit feuchten, kalkhaltigen Böden. Seine Blütezeit beginnt oft schon im Januar und dauert bis März (verwilderte und Gartenpflanzen), die Wildart blüht erst im März. Es ist als Wildart nur im Süden Deutschlands heimisch. Weiter nördlich gibt es verwilderte Exemplare (sogenannte Stinsenpflanzen, die habe ich hier schon beschrieben). Allerdings bedeutet das Vorkommen von Schneeglöckchen in der freien Natur nicht zwangsläufig, dass sich an der Stelle früher mal ein Herrenhaus o. ä. befunden hat, wie das Wort Stinsenpflanze nahelegt. Heutzutage bedeutet es oftmals auch einfach und ganz unromantisch dass jemand seinen Gartenmüll in der Natur entsorgt hat.

 

Es gibt auch die Theorie, dass Schneeglöckchen durch das Erzeugen von Wärme ein Loch in den Schnee kokeln können. Bisher scheint es keine Studien zu geben, die das einwandfrei belegen. Dass Pflanzen sich selbst "einheizen" können, ist wissenschaftlich belegt (sogenannte Thermogenese). Beim Schneeglöckchen kann man zwar einen Bereich ohne Schnee im direkten Umfeld finden, der aber anscheinend nur nach Sonnenschein auftritt. Als Erklärung hierfür wird vermutet, dass sich der im Vergleich zum Schnee relativ dunkle Schneeglöckchenstängel samt Blätter durch die Sonne passiv erwärmt und so ein schneefreier Hof entsteht, der auch bei anderen Pflanzen auftreten kann.

 

Das Schneeglöckchen ist wie keine andere Pflanzenart mit der Erneuerung nach dem Winter und dem Aufbruch in den Frühling verbunden. Daher wird es auch mit der keltischen Göttin Brighid assoziiert. Brighid ist die Lichtbringerin, ihr Fest wird am 1. Februar gefeiert (traditionell um den Februar-Vollmond herum). Daher gilt das Schneeglöckchen auch als die Pflanze des Neuanfangs. Die Kirche hat das alte Fest übernommen (Lichtmess am 2. Februar). Im Februar merkt man deutlich, dass die Tage wieder länger werden. Auch im Garten ist das Schneeglöckchen wichtig. Wenn es blüht (Vorfrühling) kann man langsam wieder über die Gartenarbeit nachdenken und zum Beispiel schon mal Pflanzen im Haus vorziehen. Astrologisch gehört es zu Mond und zu Neptun Das Schneeglöckchen ist übrigens ausnahmsweise mal keine traditionelle Heilpflanze.  Es ist giftig, vor allem seine Zwiebel enthält Alkaloide. Einer der Wirkstoffe, das Galanthamin, wird zur Behandlung von Alzheimer genutzt, da es den Neurotransmitter Acetylcholin erhöht und so die Signalübertragung im synaptischen Spalt zwischen den Nervenzellen beeinflusst. Allerdings kann es dabei sehr schwere Nebenwirkungen geben.

 

Ungefährlicher ist seine Nutzung als Zierpflanze. Dazu ist es mit seinen leicht duftenden Blüten eine der ersten Bienenpflanzen im Jahr. Aufgrund der vielen verschiedenen Sorten gibt es regelrechte Schneeglöckchen-Sammler. Vor allem in Großbritannien ist die Sammelleidenschaft für "Snowdrops" wohl sehr ausgeprägt. Dafür gibt es sogar einen Begriff: "Snowdrop mania". Für manche Schneeglöckchensorten wird ordentlich Geld hingeblättert. Die einzelnen Sorten unterscheiden sich unter anderem in der Form und Ausprägung der grünen Flecken. Sie sind übrigens nicht zu verwechseln mit dem größeren Märzenbecher (Leucojum vernum). Dessen Blüten sehen zwar ähnlich aus, haben aber an allen sechs gezipfelten Hüllblättern einen grüngelben Punkt. Die Blüten erinnern mich immer etwas an einen Lampenschirm :-)

 

Das Schneeglöckchen pflanzt man am besten im Frühherbst als Gruppe, kann es aber natürlich auch einzeln setzen. Meine Schneeglöckchentruppe im Garten kommt jetzt langsam in die Gänge. Wird auch Zeit - ich will Frühling :-)

 

Wichtig! Bitte beachten!

 

Ich bin weder Ärztin noch Heilpraktikerin noch Apothekerin. Die in einigen Artikeln beschriebenen Wirkungen von Pflanzen haben lediglich informativen Charakter und beruhen auf dem Wissen aus meiner akademischen Ausbildung als Botanikerin sowie auf eigenen Erfahrungen. Alle Angaben wurden nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Ich übernehme keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben. Es wird ebenso keine Haftung für eventuelle Schäden durch die unsachgemäße Verwendung von Pflanzen und deren Zubereitungen übernommen.

 

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