Falls sich jemand bei dem Namen verwundert die Augen reibt: Ja, richtig gelesen. Heute geht es um den Gewöhnlichen Glatthafer (Arrhenatherum elatius). Warum
ich ihn ausgewählt habe? Der Glatthafer bietet einen guten Einstieg in dieThematik der Süßgräser (Poaceae).
Wer schon einmal versucht hat, ein Gras zu bestimmen, weiß vermutlich, dass das nicht so einfach ist. Auf den ersten Blick sehen alle Gräser irgendwie gleich aus,
und auf den zweiten oftmals auch. Dann muss man erst die Lupe zücken, um die wichtigen Merkmale zu erkennen. Hier kommt der Glatthafer ins Spiel. Er ist schon anhand seiner Gesamterscheinung gut
zu identifizieren, obwohl auch er die typischen Merkmale der Gräser besitzt.
Der Glatthafer kann gut und gerne 1,5 m Höhe erreichen. Sein Blütenstand ist eine Rispe mit vielen kleinen Teilblütenständen (sogenannten Ährchen). In einem Ährchen
sind die kleinen, unscheinbaren Blüten - meist zwei - organisiert. Das ist einer der Gründe, die das Bestimmen von Gräsern schwierig machen: Gräser sind Blütenpflanzen, aber sie haben keine
auffälligen, bunten Blüten, die von Tieren bestäubt werden. Sie haben ihre Blütenhülle zurück gebildet, weil sie vom Wind bestäubt werden. Da würde eine aufwändige Deko rund um Stempel und
Staubbeutel nur stören. Stattdessen sind die Blüten von Hochblättern umgeben, sogenannten Spelzen. Der Blütenaufbau ist also etwas anders als bei den tierbestäubten Blüten. Die Blütezeit des
Glatthafers liegt wie bei vielen Gräsern im Mai und Juni.
Der Blütenstand des Glatthafers ist 20 bis 30 cm lang. Man kann auch ohne Lupe gut erkennen, dass die unteren Deckspelzen eine Art "Antenne" besitzen. Diese wird bei
Gräsern als Granne bezeichnet. Grannen treten bei Süßgräsern häufiger auf. Richtig lange Grannen hat zum Beispiel die Gerste. Oben im Bild kann man die Grannen des Glatthafers erkennen (und im
Hintergrund die Gerste mit ihren deutlich längeren "Besen" -> Grannen ;-). Der Sinn einer Granne ist, sich im Fell von Tieren (oder in den Socken von Menschen) zu verhaken. Dies ist ein Teil
der Verbreitungsstrategie mancher Gräser.
Der Glatthafer ist wärmeliebend, aber sonst recht anspruchslos. Die Böden dürfen bei einem mäßigen
Nährstoffangebot basen- bis kalkreich sein. Er toleriert auch höhere Stickstoffgehalte und trockenere Böden, weswegen er heutzutage recht prägend an Straßenböschungen und auf Ackerrainen zu finden ist. Ein Teil dieser Häufigkeit hat er wohl auch Saatmischungen zur Böschungsbegrünung zu
verdanken. Er hat übrigens nichts mit dem Echten Hafer (Avena sativa) zu tun, der für Mensch und Tier als Ernährung dient. Glatthafer
hat aber trotzdem eine Bedeutung als Tierfutter, da er ein ertragreiches Gras für die Heuwerbung ist. Beweidung verträgt er hingegen nicht so gut.
Der Glatthafer ist außerdem eine sogenannte "Charakterart" des Verbandes der Glatthaferwiesen (Arrhenatherion elatioris). In ihrer nährstoffärmeren
Ausprägung gehören Glatthaferwiesen als Pflanzengesellschaft (Arrhenatheretum elatioris) zu den nach Anhang I der FFH-Richtlinie geschützten
Lebensraumtypen (Lebensraumtyp 6510: Magere Flachland-Mähwiesen). Diese vom Menschen durch traditionelle Bewirtschaftung
geschaffenen Wiesen sind sehr artenreich und in der Regel das, was man allgemein unter einer Blumenwiese versteht. Typische Arten der Glatthaferwiesen
sind zum Beispiel die Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), der Spitzwegerich (Plantago lanceolata), die Schafgarbe (Achillea
millefolium), die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis), der Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris), die Wilde Möhre (Daucus carota) oder der Wiesen-Sauerampfer (Rumex acetosa) sowie der Weißklee (Trifolium
repens).
Ein wichtiger Faktor ist der späte erste Mahdtermin (frühenstens im Juli), wenn die vorkommenden Arten zum Teil schon abgeblüht sind und Samen bilden konnten. Ein
ggf. zweiter Mahdtermin ist im September (sogenannte ein- bis zweischürige Mahd). Diese Art der Bewirtschaftung wird auch als "extensiv" bezeichnet. Heuzutage wird in der Regel bereits im Mai gemäht, oftmals gefolgt von zwei weiteren Mahden (sogenannte intensive Bewirtschaftung).
Das führt dazu, dass viele Blütenpflanzen nicht die Gelegenheit haben, ihren Lebenszyklus aus Blüte und Samenbildung abzuschließen und in der Folge verschwinden. Hinzu kommt hier auch oft eine
intensive Düngung, die die weniger stickstoffliebenden Pflanzen noch zusätzlich in die Flucht schlägt. Daher sind die Glatthaferwiesen insbesondere in ihrer extensiven Ausprägung bereits auf der
Vorwarnstufe der Roten Liste. Der Glatthafer, der an den Wegen und Äckern noch häufig vorkommt und durchaus das Potential zum Platzhirsch hat, ist auf der Wiese also gleichzeitig eine
kennzeichnende Art einer immer seltener werdenden Pflanzengesellschaft.
Für den Garten taugt der Glatthafer nicht. Wer aber ein größeres Stück ungenutzter, sonniger Fläche hat, kann hier eine Glatthaferwiese einsäen. Für solche Wiesen
gibt es spezielle Saatmischungen, die aus der Region stammen sollten, in der die Fläche liegt (sogenanntes autochthones oder einfacher "Regio"-Saatgut). Denn Pflanzenarten sind optimal an die
klimatischen Bedingungen der Region angepasst, aus der sie stammen. Werden sie in einer anderen Region ausgesät, kann es zum Beispiel passieren, dass die Blütezeit nicht mit dem Auftreten der
entsprechenden Bestäuber zusammen passt. Hat sich die Pflanzengesellschaft nach ein paar Jahren etabliert, kann sich eine artenreiche Blumenwiese entwickeln, die nicht nur viele Pflanzenarten
beherbergt, sondern auch viele Tierarten.
Ansonsten kann man den Glatthafer aktuell in seiner abgeblühten Form (nur die Spelzen sitzen noch an den Ährchen) bewundern. Manchmal gibt es auch noch eine
sogenannte Nachblüte.
Glatthafer wächst gerne entlang von Äckern und Wegen. Diese Glatthafer-Truppe ist ihre Samen (Karyopsen) schon losgeworden, nur die Spelzen stehen noch am Ährchen. Daher sehen die
Blütenstände etwas "gerupft" aus. Der Zaun ist übrigens etwa 1,2 m hoch.
Die leeren Blütenstände im Gegenlicht.
Ein Arrhenatheretum (Saatmischung) mit Margerite, Vogelwicke, Glatthafer, Ruchgras, Sauerampfer, Weißem Labkraut und Weißklee.